Von Gisela Rudolph

Langgliedrige, biegsame Gestalt, langes, blond-meliertes Haar, ausdrucksvolle braune Augen – begegnet einem Hanna Schwarz, könnte man sie etwa für ein Model, eine Tänzerin halten. Weit gefehlt. Ihr edel timbrierter, schlanker Mezzosopran mit Volumen von dunkelroter Tiefe bis zur strahlenden Sopranhöhe macht sie bis heute zu einem der internationalen Opernstars ihres Fachs. Als Fricka und Erda im legendären „Jahrhundert“-Ring von Patrice Chereau in Bayreuth gelang ihr 1976 der Durchbruch zu einer internationalen Karriere. Nicht nur im Wagner-Fach. Auch in Richard-Strauss-Opern wie Oktavian im „Rosenkavalier“ und Komponist in „Ariadne auf Naxos“ riss sie als stimmlich wie optisch ideale Verkörperung das Publikum zu Ovationen hin. So auch in Düsseldorf, wo sie als geheimnisvolle Gräfin in Tschaikowskys „Pique Dame“ (nach der Novelle von Alexander Puschkin) noch bis 14. Juli zu sehen und zu hören ist. Bei den Premieren-Kritiken zu Lydia Steiers Inszenierung am Düsseldorfer Haus der Rheinoper wurde Hanna Schwarz als „Opernlegende“ gefeiert und ihr facettenreiches, hintergründig-leidenschaftliches Spiel gerühmt.

Im Gespräch mit „Lust auf Düsseldorf“ zeigte die gebürtige Hamburgerin statt hanseatischer Zurückhaltung Spontaneität und Humor mit herzlichem Lachen und ließ auch Einblicke in ihr Privatleben zu.

Wie unterscheidet sich denn Puschkins Gräfin von der in Tschaikowskys Oper?

Regisseurin Lydia Steier hat in ihrer Düsseldorfer Operninszenierung einen Aspekt von Puschkins Gräfin herausgearbeitet, der oft unbeachtet bleibt: Bei Puschkin erwägt Hermann nämlich, ob er nicht der Geliebte der Gräfin werden solle, um das Geheimnis der richtigen Karten zu lüften. Es geht um den Konflikt Liebe oder Geld. Wie auch in vielen anderen Werken, zum Beispiel in Wagners Ring. Das ist ein internationales Thema und nicht auf den russischen Schauplatz fixiert. Damit ist auch die Platzierung der Geschichte in Hollywood schlüssig. Lydia ist Amerikanerin und kennt sich da gut aus. In ihrer Inszenierung landet die Gräfin mit Hermann ja fast im Bett.

Sie haben Psychologie bis zum Vordiplom studiert…

…Ich wollte eigentlich Ärztin und Psychologin werden, fand dann aber die Therapieformen, mit denen Menschen wieder funktionstüchtig gemacht werden sollen, oftmals nicht gut, weil sie die Individualiät des jeweiligen nicht unbedingt berücksichtigen. Das ist mir in meiner Rollengestaltung sehr wichtig: Ich will immer den Grund finden, warum die Figur so geworden ist.

Wie kam’s dann zum Gesang?

Ich komme aus einer großen Familie mit insgesamt sechs Kindern. Wir haben alle ein Instrument gelernt, bei uns wurde Hausmusik gemacht und jeder konnte singen. Mein Bruder hat mir dann geraten, zu einer Gesangslehrerin zu gehen. Die hat mich dann weiter geschickt zum Vorsingen, in München wurde mir empfohlen, in Bayreuth vorzusingen…. So kam eins zum anderen. Ich habe mir nie vorgenommen, das und das musst du jetzt unbedingt machen. Ich wollte nie etwas erzwingen. Für mich würde das jedenfalls nicht funktionieren.

Sie verfügen über eine strahlende, leichte Höhe. Stand nie ein Wechsel vom Mezzo- ins dramatische Sopranfach zur Debatte?

Nein, nie. Es wird ja meist nicht das, was man sich unter einer hochdramatischen Stimme vorstellt. Die Kapazität muss ja da sein. Es ist weder für die Zuschauer noch für den Sänger schön, wenn man sich da hineindrücken muss.

Spätestens seit dem sogenannten „Jahrhundert“-Ring von Patrice Chereau 1976 in Bayreuth sind Sie zum Wagner-Star geworden. Die Heroinen Ihres Fachs (Fricka, Brangäne, Waltraute) könnten Sie ja heute noch problemlos singen. Das müssen ja keine jungen Frauen sein…

Ich bin ausgebucht mit anderen Rollen, könnte aber diese Partien ohne weiteres heute noch singen. Der Jugendwahn heutzutage ist wirklich schlimm. Man braucht Erfahrung und Reife, sonst wird man der Aussagekraft der großen Rollen nicht gerecht. Zu junge Besetzungen sind mir oft zu flach und äußerlich. Bei Sängern ist dazu noch die stimmliche Entwicklung, die ja ihre Zeit braucht, von ausschlaggebender Bedeutung.

Gehen Sie privat ins Theater?

Oh ja! Hier in Düsseldorf war ich beispielsweise im Central (Schauspielhaus) und habe Kleists „Michael Kohlhaas“ gesehen. Ich war begeistert. Auch über die äußerst informative Einführung vor der Vorstellung.

Wäre ein Regie-Auftrag für Sie reizvoll?

Man hat ich immer wieder gefragt. Wenn ich im Theater bin, denke ich mir während der Vorstellung oft, das könnte man so oder so machen. Aber ich bin sehr ausgebucht als Sängerin. Mein Agent sagt immer, ich hätte den vollsten Kalender.

Unterrichten Sie noch an der Hamburger Musikhochschule?

Nein, ich bin viel zu viel unterwegs. Wenn man von Anfang an ausbilden will, muss man vor Ort sein. Aber Meisterkurse gebe ich noch.

Wie stehen Sie zum digitalen Zeitalter mit Facebook, Instagram & Co.?

Finde ich wunderbar. In der Sängergemeinschaft beispielsweise gibt’s Tipps, was in der Stadt, in der man gerade gastiert, los ist, wo man hin soll. Und man lädt sich gegenseitig in Konzerte und Vorstellungen ein.

Was tun Sie denn, wenn Sie frei haben?

Ich bin eine große Faulenzerin! Aber ich bewege mich auch viel. Ich erkunde die Stadt, in der ich gerade bin, gern stundenlang zu Fuß. Und wenn ich zu Hause bin, schwimme ich möglichst jeden Morgen (das ganze Jahr!) in der Ostsee. Ich habe auch in Düsseldorf meinen Badeanzug dabei, weil ich unbedingt im Rhein schwimmen wollte. Aber erst war der Pegel zu tief, dann zu hoch. Aber vielleicht klappt’s im Juli, da haben wir ja noch ein paar „Pique Dame“-Vorstellungen.

Wie ist das Düsseldorfer Publikum?

Das ist einfach toll! Es hat eine große Liebe zur Oper und ist sehr aufgeschlossen. Ich fühle mich hier überhaupt sehr wohl und habe schon überlegt, nach Düsseldorf zu ziehen, weil ich es hier wirklich schön und lebenswert finde. Man ist überall sofort im Grünen und Kultur gibt’s ohne Ende. Die Leute hier sind überhaupt nicht hochnäsig und akzeptieren jeden so, wie er ist. Aber mein Sohn Leo lebt in Hamburg, deshalb bleibe ich da. Obwohl er in seinem Job beim Film im Bereich Beleuchtung auch dauernd unterwegs ist…

Haben Sie was vom Brauchtum mitbekommen, das in Düsseldorf ja fast wichtiger als die Politik sei, wie manche lästern?

Ja, ich habe schon ein paar Kirmesveranstaltungen wenigstens von Ferne gesehen. Außerdem war mein Opa Schützenkönig und ich kann auch ziemlich gut schießen. Vielleicht komme ich zur Größten Kirmes am Rhein zum Gästeschießen nochmal her….

Wann sieht man Sie hier auf der Bühne wieder?

Am 16. Oktober singe ich in der „Pique Dame“ in Duisburg noch einmal die Gräfin.

Vorstellungen „Pique Dame“ im Düsseldorfer Rheinopernhaus: 27 Juni, 6.,11.,14. Juli.

Premiere im Duisburger Haus der Oper am Rhein: 28. September

Karten unter Telefon: 0211-8925211, www.operamrhein.de

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