Mit Heino auf den Spuren seiner Jugend in Oberbilk

Wir stehen am See im Volksgarten, hinter uns Manes Meckenstocks Kurhaus. Heino deutet nach links: „Da, auf der Liebesinsel, stand das Publikum dicht gedrängt, als wir hier aufgetreten sind.“ Wo jetzt noch eine kreisförmige, kniehohe Hecke steht, stand die Bühne, auf der Heino mit den „Düsselperlen“ seine ersten Erfolge feierte: Lieder von René Carol wie „Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein“ und „Heimweh“ von Freddy Quinn begeisterten hier viele hundert Menschen. Heino war 26 und kurz vor seinem Durchbruch.

Für „Lust auf Düsseldorf“ sind Heino und Hannelore aus Bad Münstereifel nach Düsseldorf gekommen. Heinos Wurzeln liegen in Oberbilk. In der Kirchstraße 59, wo heute bei Popeye Mr. Pizza Pizza und Pasta über den Tresen gehen, hat er gewohnt, im zweiten Stock. „Guck mal, die braune Tür hier, die ist immer noch die gleiche wie vor fünfzig Jahren.“

Heino

Kirchstraße 59: hier wohnte Heino im zweiten Stock

Der Pizzabäcker ist außer sich: Fotos, Händeschütteln, er geht mit ihm in den kleinen Hinterhof. Heino schaut hoch zu seiner alten Wohnung. Die Erinnerungen kommen wuchtig zurück: „Wir waren evakuiert in Sachsen, eines Tages hieß es: Die Russen kommen, wir müssen weg.“ Seine Mutter Franziska zog den Bollerwagen mit wenigen Habseligkeiten vom sächsischen Großenhain bis Düsseldorf, Bauern steckten ihnen unterwegs Steckrüben zu. Abgemagert, mit durchgelaufenen Sohlen, erreichten Heino und Schwester Hannelore mit ihrer Mutter im Mai 1945 Düsseldorf.

„Unser Haus war eines der wenigen, das die Bombenangriffe überlebt hatte“, erinnert sich Heino. „Schau, da drüben, das Haus Nr. 55 stand auch noch – und das Eckhaus auf der anderen Straßenseite, der Rest war platt.“

Wir gehen um die Ecke: Gangelplatz.

Hier hat Heino Fußball gespielt. „Da stand ein Sandkasten mit einer Mauer drum herum“, zeigt er und kickt ein wenig mit dem mitgebrachten Ball. Heino blickt auf eine recht glückliche Kindheit zurück, trotz der schweren Nachkriegszeit. Die Mutter hatte einen Job im Stahlhof gefunden, wo sie für die Briten Büros putzte. Heino: „Sie ist morgens um fünf aufgestanden – und abends hat sie noch im Gasthaus Fischl an der Friedrichstraße gekellnert, sie hat fast rund um die Uhr geschuftet.“ Ihr Stundenlohn als Putzfrau betrug eine Mark zwanzig. Das rote Akkordeon im Schaufenster eines Musikgeschäfts in der Ellerstraße, das Heinos großer Traum war, lag in weiter Ferne, es kostete unerschwingliche 330 Mark.

Heino

50 Meter von seinem Geburtshaus entfernt ist der Gangelplatz. Hier spielte Heino mit seinen Kumpels Fußball.

Wäre es nach seinem Musiklehrer gegangen, hätte Heino ohnehin niemals eine Bühne gesehen oder ein Instrument gespielt. Die Note 5 – mangelhaft – in Musik begleitete Heino. Grund: Er hatte den Lehrer vor der Klasse wegen eines falschen Tons kritisiert. So etwas machte man damals nicht mit einem Lehrer.

Weihnachten 1945 wird Heino nie vergessen: Das rote Akkordeon! Mutter Franziska hatte es auf Abzahlung gekauft. Stunden später spielte Heino bereits die ersten Akkorde. „Da war mir klar, Musik ist mein Leben.“

Heino: mit seiner geliebten Mutter Franziska und Schwester Hannelore, die heute noch in Düsseldorf lebt

Das erkannte auch sein Lehrherr, Bäckermeister Voss. Bei ihm durfte Heino mit seinen Kumpels vom „Trio Sokrahe“ (benannt nach den Nachnamen Sodekamp, Kramm und Heppner) im hinteren Teil der Backstube üben. Voss besorgte ihnen sogar den ersten Auftritt – beim Oberbilker Heimatabend. Mit Freddy Quinns Superhit „Heimweh“ räumten sie ab, 2.000 Leute waren total begeistert.

Heino hängte den Bäckerberuf nach der Gesellenprüfung an den Nagel und schlug sich mit allerlei Jobs durch. Im Volksgarten zeigt er auf die Bahnstrecke: „Guck mal, die Brücke war damals kaputt, die Züge mussten langsam fahren, da haben wir Kohlen abgeladen und sie verkauft.“ Auch Schrott hat er gesammelt, als Hilfsarbeiter im Hafen gejobbt, schwere Zementsäcke getragen, als Hausierer Produkte an der Tür verkauft – von Toilettenpapier bis zu Zeitschriftenabos.
Heino singt vor, was damals sein Türöffner war: „Für den Mann, für das Kind, für die Frau: die TV, die TV, die TV.“ Damit, sagt er, lief es richtig: „An manchen Tagen hatte ich um elf Uhr schon 70 Mark in der Tasche.“

Der große Durchbruch kam für Heino 1965 im westfälischen Quakenbrück. Heino sang bei einer Modenschau nach dem damals schon berühmten Ralf Bendix („Babysitter Boogie“) – und räumte richtig ab. Von da an hörte Bendix auf, selbst zu singen, und produzierte mit Leidenschaft Heino, dem er umgehend einen Plattenvertrag besorgte – die Karriere begann.

Auf zweihundert Meter Königsallee kommen ein Dutzend Fotowünsche: die Fans wollen Selfies, keiner fragt nach Autogrammen

Heute, 50 Jahre später, ist Heino in einem unglaublichen Popularitätszenit. Wir gehen mit ihm die rund 200 Meter vom Parkhotel, wo wir einen Kaffee getrunken haben, zur Kö. Mit Heino über die Kö, das ist mühsam. Ein gutes Dutzend Selfies entstehen auf dem Weg. Eine junge Japanerin, die an der Kö arbeitet, kommt außer Atem auf uns zugelaufen: „Ich habe Sie vom ersten Stock aus gesehen. Können wir ein Foto machen?“ Heino freut sich über jeden Fan, beantwortet geduldig alle Fragen. Ob es nicht großartig sei, so beliebt zu sein, so verehrt zu werden, frage ich ihn. Heino lächelnd: „Ja klar, besonders aber, dass so viele junge Leute mich mögen, das freut mich am allermeisten.“

Auf der Kö machen wir Fotoaufnahmen mit Pascal Schliwa. Das Mitglied des Derendorfer Sportvereins ist zehn Jahre alt und war Gewinner des letzten großen Radschläger-Wettbewerbs der Stadtsparkasse. Heino hat selbst als Kind auf der Kö Rad geschlagen – und sich mit „eene Penning“ das karge Taschengeld aufgebessert. Was Pascal da hinlegt, findet seine Hochachtung: „Der Junge ist klasse!“

Pascal Schliwa, der diesjährige Meister im Radschlagen in seiner Altersgruppe, begeistert Heino, der selbst auf der Kö mit dem Radschlagen „eene Penning“ verdiente

Heino passt auf die Kö. Von oben bis unten im Philipp-Plein-Look: schwarze Lederjacke, schwarze Hose, schwarze Schuhe. Natürlich trägt er auch seinen Totenkopfring.

Sieben Jahre, schätzt er, waren Hannelore und er nicht in Düsseldorf, von einem Kirchenkonzert und einem Charity-Auftritt mal abgesehen. Die Gehry-Häuser, obwohl schon älter, sehen Hannelore und er zum ersten Mal, als wir im Medienhafen fotografieren. Am Hyatt stoßen wir auf eine Schulklasse aus dem westfälischen Haltern, alle wollen ein Foto mit Heino. Die Lehrerin möchte ein Einzel-Selfie. Heino gefällt der Blick auf die Gehry-Häuser und das Wasser. Mit einem gewissen Erstaunen nimmt er zur Kenntnis, dass die schrägen Gebäude für Besucher heute eher ein Wahrzeichen Düsseldorfs sind als der Schlossturm. Zu dem hat der Sänger ein besonderes Verhältnis. Heino: „Da war früher eine Pängke, ein Pfandhaus, zu dem habe ich immer meinen Verstärker gebracht, wenn ich pleite war, und habe ihn abgeholt, als ich wieder flüssig war.“ Irgendwann hat er ihn dagelassen, er hatte sich längst einen besseren gekauft.

Auch wenn er schon lange in der Eifel wohnt:

Heino sieht sich als Düsseldorfer. Während wir in seinem S-Klasse-Mercedes durch Oberbilk kurven, fallen ihm immer wieder Orte und Geschichten zur Stadt ein. Beim Schmitze-Buar in Unterrath hat er seine spätere Frau Lilo kennengelernt, die auf der Kölner Straße wohnte. Mit ihr und Sohn Uwe aus der Ehe mit Henny bezog er 1964 eine Zweizimmerwohnung am Meisenheimer Weg in Wersten. Drei Jahre nach der Scheidung von seiner ersten Frau Henny heirateten Heino und Lilo am 7. Januar 1965 in Eller. Kurz darauf startete Heino voll durch – dank seines Mentors und Produzenten Ralf Bendix.

Heino und Hannelore mit La-Terrazza-Inhaber Guido Gutzeit und Lust-auf-Düsseldorf-Chefredakteur Wolfgang Osinski und Frau Olga

Nach 32 Jahren in Düsseldorf zog Heino 1970 in die Eifel – der Natur wegen. Heino in seiner gerade erschienen Biografie „Mein Weg“: „Morgens wurde ich vom Gezwitscher der Vögel wach, nicht mehr vom Straßenlärm.“ Es war die Zeit, als die Stones „Satisfaction“ sangen und die Musiktrends in England gesetzt wurden. Heino setzte dank cleverer Strategie von Ralf Bendix ein Gegengewicht mit Liedern wie „Jenseits des Tales“ und „13 Mann und ein Kapitän“. Im ersten Urlaub mit Lilo und Sohn Uwe im Süden, in Rimini, hörte sich Heino selbst im Radio und ahnte, dass er auf einem guten Weg war.

Sein Markenzeichen neben dem blonden Haar ist die dunkle Sonnenbrille. Die trägt er seit 1971, als bei ihm eine seltene Augenerkrankung auftrat. Die Brillen designt ihm ein Optiker in Kitzbühel, wo Hannelore und Heino eine wunderschöne Wohnung ihr Eigen nennen – mit direktem Blick auf den Hahnenkamm. Die Skirennen dort können sie vom Wohnzimmer aus verfolgen.

Ein Lied für Hannelore – „Sie ist die große Liebe meines Lebens“. Als bekannt wurde, dass die damalige Prinzessin von Auersperg und Heino ein Paar sind, hielten das viele für einen PR-Gag. Doch die Liebe war echt und sie hält seit 36 Jahren.

Seine Frau Hannelore sieht Heino als „die Liebe meines Lebens“. Als Fotograf Hojabr Riahi ihn beim Fotografieren im Volksgarten bittet, Hannelore doch mal anzuschmachten, fällt ihm das auch nach 36 Jahren Ehe noch leicht.

Wolfgang Osinski

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