Im weltweiten Monopoly der edlen Straßen und Immobilienwerte spielt sie eine gewichtige Rolle. Hier treffen sich eleganter Kommerz und Großfinanz und die Hotels, die sich an dieser Straße aufreihen, haben viele Sternchen und kennen so manche kleinere und große Stars. Selbst einem Roman, in dem Thomas Mann vorkommt, hat sie ihren Namen gegeben: Die Königsallee, die Düsseldorfer nennen sie kumpelhaft die Kö.

Königsallee

Zerbombte Westseite: Königsallee 1943

Sie liegt auf der um 1800 geschleiften Befestigungsanlage der damals sehr kleinen Stadt mit nur etwa 20.000 Einwohnern. Ihre Planung geht zurück auf Caspar A. Huschberger, den Münchner Hofbaumeister, der 1803 von dem bayerischen Kurfürsten Max Joseph nach Düsseldorf entsandt worden war, um eine Planung für eine private Nutzung der ehemaligen Festungsanlage zu entwickeln, denn Düsseldorf wurde damals noch von München aus regiert, und der Regierung war im Frieden von Lunéville auferlegt worden, alle strategisch wichtigen Festungswerke und Kasematten in Düsseldorf zu schleifen. Huschberger entwickelte innerhalb eines halben Jahres Entwürfe zur Verschönerung der Stadt. Ihm ist es zu verdanken, dass nicht der vorhandene zackige Festungsverlauf aufgegriffen wurde, sondern vielmehr eine gerade Achse von etwa einem Kilometer Länge entstehen sollte, exakt von Nord nach Süd verlaufend. Max Joseph stimmte dem Plan zu. Es kann sein, dass die Königsallee damit etwa ein Jahrzehnt später zum Vorbild der Münchner Ludwigstraße wurde.

Aber es gab auch einen Gegenvorschlag von dem Wasserbaumeister Wilhelm G. Bauer, der allerdings keine Zustimmung fand. Doch die beiden arbeiteten zusammen und gemeinsam sorgten sie dafür, dass die Düssel in die Mitte der breiten Achse verlegt wurde. 1803 kam auch noch Maximilian F. Weyhe hinzu, der Überlegungen zur Art der Bepflanzung der breiten Anlage einbrachte. Seiner Planung zufolge wurde die Allee 1806 in den äußeren Begrenzungen mit Pyramidenpappeln bepflanzt, die inneren Baumreihen waren Kastanien … und sie gaben der Straße auch ihren Namen.

Geschäftiges Treiben schon vor mehr als 80 Jahren: die Ostseite der Königsallee in den 1930ern

Diese breite Allee lag nun am Rande der kleinstädtischen Ansiedlung. Sie sollte Teil eines Grüngürtels werden, der sich zusammen mit Hofgarten, Spee´schem Graben, Schwanenspiegel und Kaiserteich um diese Landstadt herumlegen sollte. Schon ab 1840, als die anliegenden Grundstücke parzelliert worden waren, entwickelte sie sich zu einer vornehmen Wohnstraße mit Villen und großen Gärten. Die Crème de la Crème der Düsseldorfer Unternehmerschicht – die Poensgens, Luegs und Heyes – ließen sich nach und nach in eleganten Palais nieder. Der zum Rhein hin gelegene Straßenzug hieß damals Canalstraße, der dem Osten zugewandte war die Kastanienallee. Am südlichen Stirnende der beiden Straßenzüge lag mit dem Köln-Mindener Bahnhof einer der Bahnhöfe der Stadt, die seit dem Ende der 1830er Jahre am Rande errichtet worden waren.

Und hier kam im Revolutionsjahr, genauer am 14. August 1848, König Friedrich Wilhelm IV mit dem Zug an. Mit der Kutsche wurde er von seinem Vetter, dem im Schloss Jägerhof residierenden Prinzen Friedrich von Hohenzollern, abgeholt. Der Weg des Gespanns und all seiner Ehrenbegleiter führte über die Kastanienallee. Viele Menschen säumten den Straßenrand und jubelten dem König zu. Es gab aber auch revolutionär gesinnte Gruppen, Jugendliche, die johlten und pfiffen. In seinen Erinnerungen schreibt Albert Küster 1906: „Mit Pfeifen und Brüllen wurde der König von einer großen Menge begrüßt, auf der Kastanienallee wurde er und der neben ihm sitzende Prinz Friedrich von einem Buben, der an den Wagen heransprang, sogar mit Kot beworfen. Mein Vater und ich standen in der Nähe, so dass die Einzelheiten … uns nicht entgingen. Prinz Friedrich erhob sich im Wagen und entfernte von dem Anzug des Königs den darauf haftenden Schmutz …“ Die Bilanz dieser Auseinandersetzung im Rahmen der königlichen Visite waren vier Tote sowie zahlreiche Verletzte.

Herrliche Gründerzeitvillen, die heute Geschichte sind: die Westseite der Königsallee um 1910

Letztendlich ist es also Pferdeäpfeln zu verdanken, dass 1851 aus der Kastanienallee eine Königsallee wurde, denn mit dieser Umbenennung erbat die Stadt Düsseldorf die Vergebung des Königs, der dieser Bitte gnädig nachkam. Erst 1905 wurde dieser Name dann auch auf den westlichen Teil, die Canalstraße, übertragen. Einer nationalsozialistischen Umbenennung 1933 und einiger ästhetischen Umgestaltungen im Norden der Allee folgte erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als von der Prachtstraße des 19. Jahrhunderts nicht mehr viel übrig geblieben war, die Rückkehr zur Königsallee.

Doch zurück in die Mitte des 19. Jahrhunderts: In dieser Zeit begann die Industrialisierung der Stadt. Dafür gab es gute Gründe. Düsseldorf lag verkehrsgünstig am Rhein und verfügte über einen Hafen. Die Stadt hatte mit Bahnen und Brücken für eine gute Verkehrsinfrastruktur gesorgt. Öffentliche Banken und eine Börse regelten den Zahlungsverkehr. Es gab billiges Bauland und fleißige Arbeitskräfte – und Kohle wurde nicht weit entfernt im Ruhrgebiet gefördert. Aufgrund des schnellen Wachstums der Eisen- und Textilindustrie – und man sollte auch die Mostert-Herstellung nicht vergessen – nahm die Bevölkerung explosionsartig zu. Verzeichnete die Stadt 1840 noch 35.000 Einwohner, so waren es 1870 schon 70.000 und bis 1900 verdreifachte sich diese Zahl auf 213.000. Eine Stadterweiterung nach Süd, Ost und Nord wurde erforderlich.

Städteplanerisch ging Düsseldorf schon immer ungewöhnliche Wege. Ein genialer Schachzug war die Rheinufervorverschiebung um 1900. So wurde auch im Westen zum Rhein hin neuer Raum gewonnen für die Ansiedlung repräsentativer Verwaltungs- und Gerichtsgebäude, Firmensitze und hochwertiger Wohnungen mit Rheinblick. Nun lag die Königsallee also schon nicht mehr am Rande der Stadt, sondern markierte den Übergang von alter Stadt zu neuen Stadtteilen wie Pempelfort, Bahnhofsviertel, Friedrichstadt und Bilk. In den frühen 60er Jahren des 18. Jahrhunderts begann man nun, die Kö zu verschönern. Auch die Bepflanzung musste geändert werden, denn 1856 waren die Pappeln erkrankt, und ihnen folgten Ulmen. Nun überspannte die erste Brücke, die Girardet-Brücke, den Kanal. 1872 wurde auf der Ostseite nahe der heutigen Schadowstraße das erste Geschäft eröffnet, ein Tabakladen, und nach und nach kamen weitere Läden hinzu. Bald rollten die ersten Pferdewagen über die Kö, die 1900 elektrifiziert wurden. Der Wert einer Straße bemaß sich aber auch an ihren kulturellen Einrichtungen. So siedelte sich 1900 das Apollo-Theater an, 1910 folgte das erste Lichtspielhaus (das bis 2004 existierte). Weitere Verschönerungen, oft angestoßen vom Düsseldorfer Verschönerungsverein, erfolgten: der Schalenbrunnen auf dem Corne-liusplatz (1882), der Tritonenbrunnen (1902), eine Fußgängerbrücke zwischen Bastionstraße und Grünstraße. 1909 wurde das Warenhaus Tietz eröffnet (heute Galeria Kaufhof), ein Kaufhaus mit Vollsortiment in dem vom Münchner Jugendstil-Architekten Josef Maria Olbrich entworfenen, prachtvoll dekorierten Bauwerk. Es ist eines der wenigen Gebäude, die den Zweiten Weltkrieg äußerlich fast unbeschadet überstanden haben.

Hier standen die Zeichen schon auf Wiederaufbau: die Königsallee um 1950

Im Jahr 1915 wurden schon hundert Einzelhandelsgeschäfte für gehobene Ansprüche sowie Betriebe und Büros gezählt und 1920 waren es schon 130. Sie siedelten sich vor allem im östlichen Teil der Allee an, während der westliche dem gehobenen Wohnen vorbehalten blieb. Bis zum Zweiten Weltkrieg hatte die Kö den sukzessiven Wandel gut überstanden, auch den seiner wechselnden Bepflanzungen, denn der Pappelkrankheit 1856 folgte etwa 50 Jahre später die Ulmenkrankheit und auch den danach gepflanzten Silberlinden machte eine Krankheit den Garaus. Schwere Beschädigungen durch Brand- und Sprengbomben 1943 bis 1945 hinterließen eine Steinwüste und Baumruinen. Zwar lag 1949 schon ein Wiederaufbauplan vor, doch die Neubepflanzung mit Kastanien und nun Platanen gelang schneller als der Wiederaufbau. Der Handel aber formierte sich, wenn auch notdürftig, schnell. 1949 berichtete James Reston, ein Kolumnist der New York Times: „Die erstaunlichste Straße in Deutschland ist die Königsallee in Düsseldorf. Sie führt durch das Herz der schwer zerbombten Stadt und wirkt wie ein Bazar auf dem Friedhof … Die Läden in den übel zugerichteten Häusern sind angefüllt mit Luxuswaren.“

In der Mitte der 1950er Jahre wurde der Straßenbahnbetrieb auf der Allee eingestellt und in der Wirtschaftswunderzeit begann dann der Wiederaufbau, der sich im Prinzip bis heute fortsetzt. Das Wirtschaftswunder beeinflusste auch die inhaltliche Orientierung. Anstelle der eleganten Villen ließen sich nun auf der Westseite die großen Banken nieder, Hotels wurden größer wieder oder neu erbaut. Dem ersten Shoppingcenter auf der östlichen Seite, dem Kö-Center, folgten im Laufe von Jahrzehnten einige weitere – die Kö-Galerie, das Sevens, der Kö-Bogen. Heutzutage bestimmt jedoch nicht mehr der traditionsreiche Einzelhandel das Warensortiment. Bis auf wenige rühmliche Ausnahmen – so zum Beispiel Franzen, das Haus für den gehobenen Wohnbedarf, das seit mehr als 100 Jahren die Kö bereichert, und einige alteingesessene Galerien – haben Firmenketten und berühmte Label diesen Platz eingenommen.

Und doch: Die Kö kann sich messen mit den großen eleganten Boulevards von Weltstädten wie London, New York, Paris oder Rom. Sie hat sich trotz aller Zerstörungen und Veränderungen einen eigenen Charme bewahrt, den die Grande Dame des Schauspiels, Elisabeth Bergner, schon 1971, in der aktiven Zeit des Wiederaufbaus, konstatierte:

„Die Kö hat sich herrlich herausgemacht. Und ihre Passagen sind so reich und so abenteuerlich wie orientalische Bazare. Ich stelle fest, dass, während ich das niederschreibe, in mir ein großer Appetit auf einen Kö-Bummel gewachsen ist.“ 

Brigitte Lohkamp

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