Ich bin verabredet mit jemandem, der alte Radios sammelt. Klaus Gordziel (68) ist versessen auf diese Technik-Antiquitäten. Der Ratinger hat 400 alte Radios und alle funktionieren! Jetzt sucht er Räumlichkeiten für ein Museum.

Also, ich bin erst mal baff: Mit Radios, die mit kleinen Türchen verziert sind, mit Radios in Form geschmückter Schatullen oder in filigranen hölzernen Gehäusen und sogar in einer Art Urne ist man als Kind der Generation iPhone überfordert.

„Das ist eines meiner Lieblingsradios“, sagt er und zeigt auf ein „Loewe Opta“-Radio in einem fein geschnitzten Gehäuse. Es hat kleine Türchen wie ein winziger Schrank. Die Technik darin stammt von 1947. Er schaltet ein und strahlt, als nach der Aufwärmzeit der Oldie zum Leben erwacht und „Sonne“ von Rammstein spielt. „Dieses Radio hat wie die meisten kein UKW“, erklärt Gordziel, „UKW gab es erst seit den Fünfzigern. Den ersten UKW-Sender richtete der Bayerische Rundfunk 1949 ein, die ersten Stereo-Sendungen auf UKW gab’s 1963.“


Sieben Prachtstücke, darunter das Tefifon Holiday Luxus (links oben), der Vorläufer des Kassettenrekorders, daneben einer der ersten Radiowecker, Telefunken Jubilate 55 und das Braun-Gerät Koffer-Super von 1938

Jedes Radio des Ratingers hat etwas Besonderes. Jedes hat ein eigenständiges Design und seine spezielle Geschichte, viele sind aufwendig verziert und sorgfältig in Handarbeit gebaut – vor 50 und mehr Jahren. Sein Sammelinteresse, macht er klar, ist auch eine Verbeugung vor all den Frauen und Männern, die diese schönen Geräte gebaut haben.

Als 13-Jähriger bekommt der gebürtige Berliner ein Radio von seinen Eltern geschenkt. Das Radio begeistert ihn, doch nach einiger Zeit geht es kaputt. Er versucht es zu reparieren, schraubt es auseinander, um den Fehler zu beheben, doch er ist machtlos. Die Reparatur ist gescheitert, Leidenschaft und Interesse sind jedoch geweckt.

Die Lust auf Radio hat ihn bis heute noch nicht verlassen:


Zwei Röhren-Kofferradios, links das Phillips „Anette“ 
und das „Akkord-Radio Offenbach 52“ 

Zwischen der Technik, die Klaus Gordziel mir geduldig erklärt, und meinem iPhone liegen Welten. Das Thema fängt an mich zu interessieren.

Das Modell „Ponti Zauberdose“ ist wohl das schrägste in seiner Sammlung: Das 1949 von der Firma „Rondo“ in Stuttgart gebaute Gerät mit kreisrunder Skala und drei Bedienungsknöpfen ist in eine Vase eingebaut, die auch als Urne durchginge. „Merkwürdigerweise wurde es kein Verkaufserfolg“, juxt Gordziel. Von diesem Radio, schätzt er, gibt es weltweit nur noch wenige Ge-räte. Das Gerät mit drei Röhren empfing Mittel- und Kurzwelle und kostete damals stolze 250 DM, ein Vermögen in der Nachkriegszeit.

Das französische „Excelsior 52“ aus dem Jahre 1952 ist mit goldenen Leisten verziert, die waagerecht an den beiden Lautsprechern links und rechts runterlaufen. Vor ein paar Jahren hat er dieses Juwel auf eBay gefunden und günstig ersteigern können. „Es ist einfach wunderschön“, schwärmt Gordziel. Auch nach fast 70 Jahren glänzt das lackierte Metall noch – das Radio wirkt wie neu. Das Radio „Freiburg“ aus dem Jahr 1955 mit automatischer Sendersuche von dem deutschen Unternehmen „Saba“ bringt mich echt zum Staunen: Dass es so was damals schon gab!

Besonders gut gefällt mir das Radio  „Tefi Zwerg“ von „Tefi“ aus Köln und es gehört wohl mit dem „Picco“ von „Nora“ zu den kleinsten unter den 400 Radios des Sammlers und den kleinsten ihrer Zeit. Es ist schlicht, aber doch irgendwie besonders, wenn man es mit dem bereits genannten „Saba“ vergleicht. Da habe ich wohl auch den Geschmack des Radiofanatikers getroffen, denn auch dieses kleine Radio gehört zu seinen Lieblingsstücken.  

Das Highlight schlechthin ist ein Radio, das als Vorgänger des Walkman gesehen wird. Dr. Karl Daniel, ein Tüftler aus Köln, hat dieses „Tefi Holiday Super II“ entwickelt. Der Radiosammler: „Es war die Grundlage für die moderne Audiotechnik, da es das erste Gerät ist, welches mit einem Schallband läuft. Es war gewissermaßen der Vorläufer für den Kassettenrekorder, den man sehr viele Jahre zum Abspielen von Musik benutzte.“ Auch dieses Gerät aus dem Jahr 1960 funktioniert einwandfrei. Der Erfolg blieb dem Gerät damals versagt. Klaus Gordziel sagt, warum: „Das Gerät hinkte der Aktualität hinterher, da es fast unmöglich war, ein ganzes Band vollzukriegen, und wenn neue Schallbänder auf dem Markt waren, gab es schon wieder aktuellere Schallplatten. Für die Entwicklung der Technik war diese Erfindung jedoch von immenser Bedeutung.“

Ein Radio in einer Picknick-Box? Geht natürlich auch und auch das gehört zu Klaus Gordziels  Sammlung: „Was sich die Hersteller früher ausgedacht haben, ist Wahnsinn, sie haben ihren Gedanken einfach freien Lauf gelassen und sich immer wieder neue Kreationen ausgedacht, so etwas könnte man sich heutzutage gar nicht mehr vorstellen!“  

Klaus Gordziel hat seine Radios geschenkt bekommen, in Kellern oder auf Dachböden gefunden, aber  auch  gekauft. Ich frage ihn, was seine Frau dazu sagt: „Natürlich ist sie nicht besonders begeistert, denn ich habe ja mittlerweile auch viel Geld in meine Leidenschaft investiert. Zum Glück hat sie es mit der Zeit aber akzeptiert beziehungsweise akzeptieren müssen,“ sagt er mir mit einem Lächeln.

Die meisten seiner Radios sind in Deutschland produziert worden, sehr viele auch von Philips in den Niederlanden. Doch einzelne Geräte kommen auch aus Frankreich, Österreich, Dänemark, Schweden, aus Tschechien, Großbritannien, Japan und den USA. Einige seiner Radios gibt es weltweit nur noch in wenigen Exemplaren.

„Natürlich sind Handys, Computer und so weiter sehr nützlich, hilfreich und sinnvoll, aber so etwas fasziniert mich nicht. Ich nutze sie, weil ich sie brauche. Es sind Wegwerfprodukte geworden. Massenanfertigungen, von Robotern gebaut. So etwas reizt mich nicht. Vor allem, weil diese Geräte
nicht mehr zu reparieren sind. Man kann nicht reingucken und begeistert sein.“

Klaus Gordziel hat für seine Schätze mittlerweile ein eigenes kleines Museum, den RADIO ROOM, Neusser Str. 41. Der RADIO ROOM ist jeden Dienstag, Donnerstag und Freitag von 11 bis 18 Uhr sowie nach Vereinbarung an der Neusser Straße 41 geöffnet. Erwachsene zahlen für den Eintritt 5 Euro, Kinder 3 Euro. Schulklassen nach Anmeldung über Sponsoring kostenlos. Telefon: 0173-7503402

Nikolai Boll

(Unser Autor ist erst 15 Jahre alt und hat bei uns ein Schülerpraktikum absolviert. Berufswunsch: Journalist.)

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