„Meine Philosophie ist: Die besten Lebensmittel und die besten Weine an den schönsten Plätzen der Welt gesund genießen!“
Ralf Bos ist ein Genießer und sein Geschäft ist die Lust am Genuss. Der 53-Jährige mit dem eigenwilligen Bärtchen, ähnlich dem Colonel von Kentucky Fried Chicken, lehnt sich im Sessel zurück und kommentiert sein Credo ebenso treffend wie flapsig und grinst dazu: „Wenn man das hinkriegt, hat man erst mal alles richtig gemacht.“
Ralf Bos lebt den Genuss, nicht in der Freizeit, nicht im Urlaub, es ist sein Leben, sein Beruf – und wohl auch seine Berufung. Lang genug gesucht hat er, aber dazu später.
Ralf Bos, BOS FOOD, Meerbusch, größter Delikatessenhändler im deutschsprachigen Raum, 170 Mitarbeiter, gern auch Trüffelpapst genannt, denn niemand verkauft mehr Trüffel als er und es gibt wohl auch keinen, der sich so gut damit auskennt.
Auf 8.000 Quadratmetern lagert Bos rund 11.000 Artikel, Lebensmittel vom Feinsten, alles, was die Welt nicht braucht, aber das Leben deutlich schöner macht: Wein und Champagner, Terrinen und Pasteten, Suppen und Geflügel in jeder Form der Zubereitung, Trüffel, bretonisches Hummerfleisch, Kaviar und Gillardeau-Austern, würziger Pata-Negra-Schinken aus Spanien und Foie gras aus Frankreich. Wer mit ihm das Lager inspiziert, kann Speichelfluss kaum unterdrücken. Wie hält der Mann das nur aus, all diese Verführungen!?
„Es ist ein Paradies, in dem ich lebe“, gesteht Bos, „Gänseleberpastete, Champagner, Trüffel, da muss ich mich selbst bremsen, aber ich finde meinen Weg, mich gesund zu halten.“ Bei einer Größe von 188 cm bringt er 110 kg auf die Waage, was ein wenig grenzwertig ist und Bewegung
nahelegt.
Nein, das Joggen mag er nicht, aber er läuft täglich, mal mehr, mal weniger, aber regelmäßig. Es ist mehr die Natur, die ihn anmacht, als die körperliche Ertüchtigung. „Ich bewege mich rund eine Stunde im moderaten Herzfrequenzbereich“, so nennt er das. „Wenn ich eine Stunde laufen würde, hätte ich einen Herzschlag wie ein Kaninchen und einen hochroten Kopf, das fände ich nicht erstrebenswert.“ Aber die körperliche Bewegung, die Natur, den Falken zu beobachten, der im Naturschutzgebiet bei Kaarst, wo er lebt, seine Runden zieht, das ist sein Ding.
„Ich bin tiefenentspannt“, sagt er über sich. Gleichzeitig ist er geprägt von einer gewissen Rastlosigkeit, kommt immer wieder ins Philosophieren. „Ich bin ein ewig Suchender“, sagt er von sich und beklagt, dass er sein so schön angedachtes bipolares Leben – jeweils die Hälfte der Zeit auf Sylt und in der Firma zu verbringen – noch nicht so richtig hinkriegt.
Gesucht hat Ralf Bos wirklich sein Leben lang. Mit Schule hatte er nicht viel im Sinn. Aufgewachsen in Düsseldorf-Pempelfort, besuchte er die Grundschule Lennestraße. Nach dem Hauptschulabschluss die harte Kochlehre im Ramada am Seestern, dann die Anschlusslehre zum Restaurantfachmann: Mit 18 hatte er zwei Gesellenbriefe in der Tasche und Träume im Schädel, Ehrgeiz, noch ein wenig unfokussiert.
Aus dem Stand wurde er stellvertretender Restaurantleiter in einem Hotel, kurz darauf Wechsel in die gehobene Gastronomie: La Bonne Auberge auf Sylt, heute nach wie vor berühmt als „Fitschen am Dorfteich“. Da packte den Düsseldorfer erstmalig das Sylt-Fieber.
Die Sommersaisons auf Sylt, in denen er sich in nur drei Jahren zum Betriebsleiter hocharbeitete, wechselten sich mit Wintersaisons im Schweizerhof (Davos, Schweiz) ab, in denen er sich nebenher zum Sommelier ausbilden ließ. Es ist typisch für den umtriebigen Charakter, dass er dann einen Haken schlug und in eine völlig andere Richtung ging. Mit 24 hatte er beruflich schon richtig reingeklotzt und registrierte Ermüdungserscheinungen: „Der Job ist hart, bei den Dienstplänen wird keine Rücksicht auf irgendwas genommen, du arbeitest zu unmöglichen Zeiten und laberst dann noch deine Freundin zu, wie schwer du es hast, … das war ein Beziehungskiller.“
Mit einem Freund entwickelte er eine Idee: in München eine Schule für Gesang und Saxofon zu gründen. Das war 1985. Der Freund war „Ala“ Heiler, Leadsänger der Gruppe „Wind“, die in dem Jahr beim Eurovision Song Contest in Göteborg den zweiten Platz machte. Mit dem Erfolg kamen Auftrittswünsche und „Ala“ Heiler stellte Ralf dem Produzenten Ralph Siegel vor. Da begann die neue Karriere: Tourmanager für die Gruppe „Wind“. Ralf Bos: „Organisieren konnte ich ja gut.“ Seine neue Welt: die ZDF-Hitparade, Formel Eins, WWF Club, Galas, Bühnen in Hallen deutschlandweit.
Mitglieder einer Band sollten erreichbar sein, doch ein Anrufbeantworter kostete damals 1.700 Mark, erinnert sich Ralf Bos. Ralph Siegel lehnte die Investition für die Band ab. Und das war gut so, denn Ralf Bos entdeckte einen Anrufbeantworter mit Fernabfrage für 390 Mark: Betrieb in der BRD und West Berlin verboten, Postzulassungsnummer verweigert.
Funktionierte aber gut, das Ding. So gut, dass Ralf Bos erst seinen Freundeskreis damit beglückte und dann in den USA zum Großeinkäufer wurde. Da hatte er nun seinen dritten Job: Großhändler in Sachen Telekommunikation. Als er seine Firma später verkaufte, machte er 14,5 Mio. DM Umsatz und hatte 28 Mitarbeiter.
Zwischenzeitlich hatte er die gleichaltrige Susanne geheiratet und war 1988 Vater geworden. Und Ralf Bos war auf der Suche nach etwas Neuem. Nächste Station: Neuseeland. Bos: „Die Idee war, in der ‚Bay of 1.000 Islands‘, 60 Kilometer von Auckland, ein Tenniszentrum zu eröffnen.“ Nach drei Monaten vor Ort lief das Rückflugticket ab und die kleine Familie Bos machte sich auf den Heimweg, um in Deutschland einige Dinge zu regeln, nahm dabei mit Fidschi, Hawaii, Kalifornien einige nette Stationen unterwegs mit. Ralf Bos: „In San Diego stellte meine Frau fest, dass sie wieder schwanger war.“ In dieser Situation ein neues Geschäft in Neuseeland anzufangen, erschien der Familie zu gewagt.
Zurück in Deutschland gründete er das erste Fingernagelstudio in Nordrhein-Westfalen, verkaufte nebenbei neue Laptops, die er aus Singapur importierte, bis sein Lieferant pleiteging, und hielt erneut den Finger in den Wind.
Die Idee, die ihn daraufhin anflog, war nicht nur eine geschäftlich immens erfolgreiche, sie markierte auch die Gründungsstunde für BOS FOOD: Ralf Bos hatte festgestellt, dass es eine Vielzahl wunderbarer Reissorten gibt, denen alle eines gemein war: Es gab sie hier nicht zu kaufen.
Der umtriebige Geschäftsmann importierte zunächst „Canadian Wild Rice“, der in 80-Pfund-Säcken angeliefert wurde. Diese packte Bos in kleine Stoffsäckchen um und kreierte dafür ein Logo in Form einer Bärentatze.
Die gefiel Ralf Bos so gut, dass sie bis heute sein Markenzeichen ist. Bald importierte der Düsseldorfer zehn Tonnen Reis jährlich. „Der Reismarkt war ja sehr überschaubar, obwohl Reis ja das meist gegessene Lebensmittel der Welt ist.“
Nach dem Kanada-Reis baute er die Palette aus: Basmatireis – Hochzeitsreis des Maharadschas, Risottoreis aus dem Podelta, eine Bioware, Roter Reis aus der Camargue – Bos war Deutschlands Reispionier und sagt heute: „Wir fühlten uns als Reishändler relativ wohl.“ Er verschickte Tausende von Proben an die Gastronomie, um Bedarf zu wecken. Das Sortiment wuchs und wuchs. Das war Anfang der 1990er.
Der Marketing-Experte entdeckte: Bei den bestehenden Kundenkontakten kann ich das Sortiment ausbauen. Er nahm Produkte wie Linsen, Gewürze, Trockenpilze, Essige und Öle ins Sortiment auf – und letztlich den Trüffel. Rund 8.000 Kilo der Edelknolle verkauft er jährlich, das sind rund 80 Prozent des Gesamtmarkts.
Er hat seine Stammlieferanten und weiß, wo es den besten Trüffel gibt: „Im nördlichen Appenin, um Bologna herum, gibt es die besten weißen Trüffel Norditaliens, die besten schwarzen kommen aus der nördlichen Provence und dem Perigord.“ Sein Leibgericht: einfach gut – Spiegelei mit Rahmspinat, dazu weißen Trüffel. Die Familie, Frau und drei Töchter, teilt seine Leidenschaft für die warzigen Erdfrüchte. Über 350 Trüffel und Trüffelprodukte umfasst sein Angebot.
Ralf Bos beliefert viele tausend Köche im ganzen deutschsprachigen Raum, doch die Hotellerie ist das umsatzstärkste Segment, gefolgt von dem privaten Kunden, der über die BOS FOOD-Website bestellt.
Der sympathische Geschäftsmann in Sachen Genuss ist mit sich und seiner Welt im Reinen. Allerdings: Von 170 Mitarbeitern sind nur 20 für den Verkauf tätig. Um die Umsatzmaschine BOS FOOD mit über 11.000 Artikeln in Gang zu halten, wird hinter den Kulissen hart gearbeitet: „Es gibt allein 80.000 Bestimmungen, die wir beachten müssen“, klagt Bos. „Die Schriftgröße bei den Etiketten, die Inhaltsstoffe und Fettgehalte, bald gehen wir zu Beipackzetteln über wie bei Medikamenten, weil die Unmenge der Information nicht mehr aufs Etikett passt.“ Ab Dezember, graut ihm jetzt schon, „müssen wir die Daten auch im Internet bereitstellen.“
Bei einem gemeinsamen Mittagessen erzählt Ralf Bos von einer wahren Leidenschaft, der Lust am Helfen. Karlheinz Böhm, der in diesem Jahr verstorbene Initiator von „Menschen für Menschen“, war für ihn ein großes Vorbild. Bos gründete die Aktion „Spitzenköche für UNICEF“ und „Spitzenköche für Afrika“, um Böhms Lebenswerk und andere sinnvolle Projekte zu unterstützen.
Und da sind wir wieder am Anfang unseres Gesprächs, bei der Philosophie und der Sinnsuche, und finden einen schönen Abschluss bei einem feinen Riesling von Van Volxem. Den vertreibt er jetzt auch, doch dafür musste er mit den Töchtern zunächst einen Tag im Weinberg von Roman Niewodniczanski verbringen, das hatte dieser zur Bedingung gemacht. Da trafen sich dann zwei von Leidenschaft Getriebene. Wolfgang Osinski
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