Sechs Menschen, sechs Leben in der Schwebe, sechs Einsame, die von gestern träumen oder von morgen. Nur im Heute, da sind sie unbehaust. Deshalb versammelt Vicki Baum diese Menschen im Hotel – und nennt ihren großen Roman auch gleich so. Das Hotel ist der Transitort, an dem es möglich zu sein scheint, auszuchecken aus dem eigenen Leben und eine andere, hoffentlich bessere Version seiner selbst zu werden. Gern nutzt die Kunst das Hotel, um Übergänge und Verwandlungen zu markieren, sei es auf dem Zauberberg, sei es in Krulls Paris, sei es in den vielen besungenen Hotels der Popgeschichte von California bis Chelsea. Baum zeigt uns den jungen Baron von Gaigern, dem der Weltkrieg seine Existenz genommen hat; zeigt den alten Arzt, der zu viel gesehen hat in seinem Leben. Die junge Frau aus dem schlechten Teil Berlins, die ihr Glück auf der vermeintlichen Sonnenseite sucht. Den Generaldirektor, dessen Firma am Rande des Abgrunds steht. Die Ballettdiva, die aus der Zeit gefallen ist und sich selbst beim Unsichtbarwerden zuschauen muss. Und schließlich Kringelein, den kleinen Buchhalter, der seine Zielgerade mit Vollgas nehmen will. Sie alle treffen aufeinander im Berlin der 20er-Jahre und versuchen, in einem Hotel ihre Leben zu retten, am Vorabend der Weltkatastrophe, von der sie nichts ahnen. Nervöse, flatterhafte Menschen in einer nervösen, flatterhaften Zeit, die der unseren vielleicht nicht so unähnlich ist.
Film- und Theaterregisseur Sönke Wortmann hatden Stoff zur Eröffnung der Spielzeit auf der Großen Bühne am Gustaf-Gründgens-Platz inszeniert. Für die Fassung zeichnet der Düsseldorfer Künstler und Schriftsteller Stephan Kaluza verantwortlich.
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