Auf der schmalen Landzunge der Halbinsel des Hafenbezirks und ganz nah am Hafenbecken liegt seine Werkstatt: ein recht großes Areal von Werkshallen. Hier, mit herrlichem Blick auf den Medienhafen und die Gehry-Gebäude, arbeitet der Kunstgießer Rolf Kayser mit seiner Mannschaft. Nur selten allerdings dürften sie Zeit haben, den Ausblick auf den hippen Medienhafen zu genießen, denn Rolf Kayser und seine Leute haben viel zu tun. Fertigen sie hier doch Kunstwerke von vielen Künstlern. Die meisten von ihnen, wie zum Beispiel Tony Cragg, Thomas Schütte, Richard Deacon, Wilhelm Mundt oder Hede Bühl, haben Weltrang. Sie alle vertrauen ihre kostbaren und manchmal recht komplizierten Entwürfe einer großen Kunstgießerwerkstatt an. Werkstätten mit dieser Kompetenz gibt es in Deutschland nur wenige, vor allem aber in den Akademiestädten München und Berlin. Düsseldorf hat sogar dank seiner bedeutenden Akademie zwei an der Zahl. Länger als Kayser im Geschäft ist die Gießerei Schmäke. Spätestens seit 1999 muss sich diese Firma die Aufträge von Künstlern mit der Kunstgießerei Kayser teilen.
Rolf Kayser hat sein Geschäft von der Pike auf gelernt. Er entstammt dem Zweibrückener Arm der Zinngießerei Kayser, wurde also schon als Kind an das Gießereihandwerk herangeführt und merkte, dass ihm das Metier Spaß machte. Doch das Material Zinn war damals schon nicht mehr sehr gefragt und bot wenig Zukunftspotential. Anstatt im elterlichen Betrieb zu lernen, begab er sich deshalb auf Wanderschaft. Mit 17 ging er nach Düsseldorf zur Gießerei Raimund Kittl. Er wohnte in einem Lehrlingsheim in Lörick, eine schwierige Zeit für den jungen Mann aus der Provinz. Doch er hatte ein klares Ziel vor Augen: Er wollte die Lehre, den Gesellenbrief und den Meister machen und dann selbständig werden.
Sein Lehrherr ging in der Kunstakademie ein und aus, denn Raimund Kittl unterrichtete dort im Verfahrensprozess. So kam auch sein Lehrling mit Künstlern in Kontakt und er freundete sich mit dem allzu früh verstorbenen Bildhauer Michael Irmer an, seine erste Begegnung mit dem Metier des Arbeitens mit Künstlern. Nach und nach entwickelte er den besonderen Blick, den es braucht, um die Ideen der Künstler, die zu ihm kamen, in richtiger Weise umzusetzen. Die Begegnung mit Bert Gerresheim, einem Düsseldorfer Urgestein unter den Bildhauern, machte Rolf Kayser endgültig klar, dass er bei dem Spezialgebiet des Arbeitens mit und für Künstler bleiben wolle. Statt nach der Ausbildung den kleinen elterlichen Betrieb in Zweibrücken zu übernehmen und auszubauen, blieb er weiter in Düsseldorf bei Kittl und lernte alles, was nötig war für dieses diffizile Handwerk. Voller Stolz kann er von sich behaupten, er beherrsche jeden einzelnen Handgriff, der in seiner Werkstatt nötig sei. Auch wenn er heute mit zurzeit 32 Mitarbeitern wohl nur noch beim „Feinschliff“ selbst Hand anlegen dürfte.
Ende der 1990er-Jahre bot sein Chef Kittl ihm an, die Werkstatt zu übernehmen. 1999 wurde aus der Firma Kittl die Firma Kayser, an gleicher Stelle
wie heute gelegen, nur viel kleiner und damals nur mit vier Mitarbeitern ausgestattet. Mit großem Fleiß und Engagement – auch für die Ausbildung von Nachwuchs – hat Rolf Kayser innerhalb von nunmehr 17 Jahren die Firma auf das heutige Niveau katapultiert. Das Gelände dafür ist ideal, denn das Areal verfügt über Expansionsfläche. Halle um Halle kam mit der wachsenden Zahl von Mitarbeitern dazu. Und Thomas Schütte verfügt in dem Komplex sogar über eine eigene Werkhalle. Rolf Kayser musste keine Werbung für sich machen, das taten die Künstler, denn sie schätzen an ihm neben seinem stillen Humor und seiner Kameradschaftlichkeit vor allem seine Zuverlässigkeit. Das ist in seiner Branche ganz wichtig, denn der Künstler, der zu ihm kommt, muss in vielerlei Hinsicht Vertrauen in ihn haben. Er muss mit dem Gießer auch harmonieren, denn ab dem Entwurf arbeiten Künstler und Gießer an einem gemeinsamen Werk. Der Künstler hat einen Termin, zu dem eine Arbeit als Guss fertig sein muss. Immerhin handelt es sich um einen mehrmonatigen Fertigungsprozess in vielen kleinen Arbeitsschritten. Und solche Arbeiten kann man nicht auf Vorrat fertigen, dazu ist der Arbeitsprozess viel zu aufwendig und damit der Preis viel zu hoch.
Der Künstler liefert dem Gießer ein Modell in Originalgröße oder ein kleines Modell, das in der Werkstatt vergrößert wird. Das Modell ist noch leichtgewichtig, denn seinen Kern bildet in der Regel das gut zu modellierende Styropor. Nun kommt es darauf an, in welchem Gussmaterial – Bronze, Aluminium, Stahl oder Edelstahl – die Skulptur gefertigt werden soll. Danach richtet sich auch das Verfahren der Formung einer Gussform. Obendrein muss, vor allem bei großformatigen, meterhohen Skulpturen, das gesamte Werk in einzelne Formteile aufgelöst werden. Nach dem Guss werden diese Teile so aneinander gefügt, dass keine Nahtstelle mehr sichtbar ist. Das geschieht mithilfe aufwendiger Schleifverfahren, die sich an den Guss und die Montage der zusammengesetzten Teile anschließen. Das komplexeste Schleifverfahren fordert wohl der Edelstahl. „Es ist eine Arbeit für Strafgefangene“, sagt Kayser. Wie Astronauten in Raumanzüge gekleidet und mit Staubfiltern ausgestattet, schleifen die Arbeiter die grobe Oberfläche, am Ende sogar mit feinstem Sandpapier. Edelstahl ist, wenn er aus dem Guss kommt, nahezu schwarz. In einem etwa halbjährlichen Prozess des Schleifens und Polierens entsteht der silbrige Oberflächenglanz, der solche Bildwerke schon von weitem leuchten lässt. Zuweilen wird der Gießer Rolf Kayser auch selbst zum Entwerfer. So bei dem Bildnis von Felix Mendelssohn-Bartholdy, das links der Düsseldorfer Oper am Eingang zum Hofgarten steht. Eine Skulptur des jüdischen Komponisten stand einst an dieser Stelle.
Doch in der Nazizeit wurde die Bronze zur Metallspende. Allein Fotos aus der Zeit kurz vor der Zerstörung existierten noch, und nach diesen fertigte Rolf Kayser das Modell als Gussvorlage. Auch bei Toni Turek, der in der Arena an den großen Fussballer von Fortuna erinnert, der 1954 mit der Nationalmannschaft die Weltmeisterschaft in Bern gewann, legte Kayser zusammen mit dem Künstler Till Hausmann Hand an dessen Entwurf.
Man ist eben irgendwie eine Einheit beim aufwendigen und andauernden Prozess des Fertigstellens einer metallenen Skulptur, denn man schafft ja schließlich ein gemeinsames Werk und beide hinterlassen auf der fertigen Skulptur ihre Signatur: der Bildhauer und der Gießer.
Brigitte Lohkamp
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