Von Gisela Rudolph

Mehr als zwei Stunden! So lange dauert allein der erste Akt der „Götterdämmerung“, vierter Teil von Richard Wagners Vier-Abend-Opus „Der Ring des Nibelungen“. Wie überlebt das der Nicht-Wagnerianer? Und kann man dafür trainieren? „Ring“-Regisseur Dietrich W. Hilsdorf, dessen Inszenierung des Tetralogie-Finales am 27. Oktober im Düsseldorfer Opernhaus ab 17 Uhr Premiere hat, weiß darauf anschauliche Antworten.

„Vielleicht schläft man ja zwischendurch mal ein bissel ein und ist dann wieder konzentrationsfähig“, schlägt Hilsdorf schalkhaft vor, „auch Wagnerianer schlafen gelegentlich ein, zumal sie ja angeblich die Augen wegen grässlicher Inszenierungen schließen müssen…. Wir tun natürlich alles, damit das Publikum nicht einnickt.“

Um die insgesamt (mit zwei Pausen) mindestens fünf Stunden dauernde Dämmerung der Götter in drei Akten durchzuhalten, bedürfe es seitens des Publikums keiner Vorbereitung. „Wir Macher sind die Überlebenstrainer fürs Publikum und müssen die Geschichte so erzählen, dass die Leute sie verstehen“, skizziert er die Aufgabe des Inszenierungsteams. Ein bisschen heiter dürfe das sein, packend müsse das sein. Als „gutes Vorbild“ nennt er den so genannten „Jahrhundert-Ring“ von Patrice Chéreau in Bayreuth 1976 – übrigens Hilsdorfs einziger Besuch der Bayreuther Festspiele.

Denn „eigentlich mag ich Wagner nicht“, tat er unumwunden dem verblüfften Auditorium schon 2016 zu Beginn der Probenarbeit zum „Ring“ kund. Warum er ihn trotzdem inszeniert? „Ich habe den Auftrag gekriegt, der Intendant weiß, wie ich mit Text und Noten verfahre. Ich klemme mich dahinter, um zu gucken, was Wagner gemacht hat.“ Sein Bestreben ist, den furchteinflößenden Respekt vor dem Mammutstoff zu nehmen. Der „Ring“ erzähle eine Familiengeschichte – in der Wagner allerdings das mittelalterliche Heldenepos sehr frei nacherzähle. Der Tragödie letzter Teil, die „Götterdämmerung“, ist nach Ansicht Hilsdorfs kein „Welttheater, wie oft behauptet, sondern eine kleine, schäbige Theatergeschichte über schäbige Charaktere mit großer Orchestrierung“.

Seine Strategie, selbst die mindestens 32 Probenwochen aller vier „Ring“-Teile – ohne Vorbereitungszeit – durchzuhalten, klingt einfach: „Morgens gut gelaunt zur Probe kommen, locker bleiben und auf Erfahrung der Aktiven und deren Vorstellung von ihren Rollen hören.“ So fragt Hilsdorfs die Sänger, wenn er selbst etwas nicht plausibel findet. „Ich komme nie mit dem Zeigefinger. Viel besser ist es, mir wird etwas erklärt. Die Sänger entdecken dabei auch vieles selbst.“

Internationalität aller an der Inszenierung Beteiligten hält Hilsdorf für einen großen Gewinn: „Es ist ja ein Unterschied, ob Amerikaner, Engländer, Skandinavier, Italiener oder nur Deutsche drauf gucken.“ Großes Lob hat er für sein Regieteam. „Die wissen alles über das Werk und seine Aufführungspraxis. Jedenfalls mehr als ich.“

Wie eingehend sich Meister Hilsdorf mit der „Ring“-Tetralogie befasst hat, kann man am 21. Oktober, dem Sonntag vor der Premiere, um 15 Uhr im Düsseldorfer Opernhaus beim „Kaffeeklatsch mit Hilsdorf“ erfahren. „Da erzähle ich die wirklichen Schoten, verkaufe, verschenke, verschachere acht Kisten mit etwa 300 Büchern, mit denen ich gearbeitet habe. Das sieht man ihnen teils auch an…“

Mit dem Erlös will er Deutschunterricht für Sängerinnen und Sänger der Rheinoper unterstützen. Der Eintritt ist frei.

 

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