Inmitten des weiten Burgplatzes am Rhein steht einsam der Schlossturm. Doch weit und breit ist kein Schloss zu sehen. Wie kann das sein?

Im Jahr 1382 wird in Düsseldorf – mehr Dorf als Stadt, gleichwohl mit Stadtrechten ausgestattet – ein Schloss erstmals urkundlich erwähnt. In einem vom Hochwasser relativ geschützten Bereich an der Mündung der Düssel in den Rhein entstand in dieser Zeit am südlichen Rand des Städtchens ein steinernes Haus, der Kern der späteren Burg und des Schlosses der Grafen von Berg. Diese waren im Besitz des Zollrechts, das sie bis 1377 von Duisburg aus ausgeübt hatten. Mit der Verlagerung der Zollstelle nach Düsseldorf und der Verleihung der Herzogswürde an Wilhelm II von Berg im Jahr 1380 bestand nun Bedarf für eine repräsentative Wohnstätte. 1384 erließ der Herzog ein Dekret, in dem er die Erweiterung des Städtchens forderte. Und so kam das Schloss, das nun als Dreiflügelanlage entstand, in die Mitte der Stadt. Ende des 15. Jahrhunderts besaß das Schloss drei Türme, einen runden im Nordosten, einen viereckigen im Südosten und einen achteckigen im Südwesten. 1491 beschädigte ein Brand den rheinseitigen Schlossflügel.

Aufgrund der Erbfolge vereinigten sich 1510 die Häuser Jülich und Berg. Mit der Übernahme der Herrschaft von Herzog Wilhelm V (1539 – 1592) begann für das Schloss eine neue prachtvolle Epoche. Um sein Herzogtum vor den Ansprüchen Kaiser Karls V zu sichern, beschloss er den Ausbau seiner Residenzen von Jülich und Düsseldorf zu Festungen, und er wollte, da er viel in Düsseldorf weilte, ein repräsentatives Schloss. Der Landesbaumeister Alessandro Pasqualini plante den Umbau im Stil der Renaissance. Auf ihn geht auch die erste Umgestaltung des Schlossturms zurück. Er gab ihm eine horizontale Gliederung und toskanische Halbsäulenverblendungen sowie eine Renaissancekuppel, gekrönt von einer Laterne mit Welscher Haube. Der Innenhof des Schlosses erhielt Arkaden und eine dreigeschossige Loggia. In der Ära von Herzog Wilhelm V wurden auch der Rat, die Kanzlei, das Gericht sowie das Archiv des Adelsgeschlechts nach Düsseldorf verlegt. Dem Humanismus verpflichtet, war der Herrscher um Ausgleich zwischen den christlichen Religionen bemüht. Unter seinem Sohn Johann Wilhelm, der dem Katholizismus zuneigte und dessen Geistesgestörtheit dazu führte, dass er seine Gattin Jacobe von Baden ermorden ließ (man sagt, sie geistere im Schlossturm) versank das Herzogtum in Zwist und Glaubenskämpfen.

Modell des Schlosses, links das ehemalige Galeriegebäude; rechts der Nordturm mit ursprünglicher Haube

Der englische Reiseschriftsteller Thomas Coryate, der die Länder Europas und Asiens durchwanderte und seine Eindrücke festhielt, beschreibt 1611 Düsseldorf „als eine hübsche Stadt im Herzogtum Kleve, direkt am Rhein gelegen. Sie ist bemerkenswert durch zwei Dinge: Das erste ist ein großartiger Palast, der dem Herzog gehört, und dann ist dort eine Residenz des herzoglichen Hofes … Doch so wenig ich auch sah, so bemerkte ich doch, dass es der prächtigste Wohnsitz ist, den ich in den ganzen Niederlanden sah. Dieser Palast besitzt eine einzigartige Besonderheit: Ein Teil des Rheins ist schön von ihm überbaut durch passende Gewölbe, die zu diesem Zwecke angelegt wurden.“

1614 sprach der Vertrag von Xanten den bayerischen Wittelsbachern und damit der Pfalz-Neuburger Fürstenlinie das Herzogtum Jülich und Berg zu. Philipp Wilhelm von der Pfalz trat 1653 als Herzog von Jülich und Berg die Regentschaft an. Mit ihm wurde das Herzogtum katholisch. Viele Klöster und Kirchen entstanden auf Düsseldorfer Grund und prägten mit ihrer vielgestaltigen Turmlandschaft die Silhouette der Stadt. Unter der bayerisch-pfälzischen Regentschaft entfaltete sich das Schloss zu einer europäischen Residenz mit prunkvollem Hofleben. Zwischen 1660 und 1666 entstand an Stelle eines baufälligen Bauwerks in Benrath ein repräsentatives Wasserschloss als Sommerresidenz der Herzöge. 1685 erbte er die Kurwürde, die mit seinem Tod 1690 auf seinen Sohn Johann Wilhelm von der Pfalz (1690 bis 1716), volkstümlich Jan Wellem genannt, überging. Seine Regentschaft gilt als die Hochblüte der Stadt. Unter ihm und seiner zweiten Frau Anna Maria Luisa von Toskana di Medici wurde der Hofstaat beträchtlich vergrößert. Verfügte der Hof 1690 noch über 180 Bedienstete, so verdoppelte sich die Zahl bis 1703 auf 368 Menschen und damit auf etwa 5 Prozent der Düsseldorfer Bevölkerung. In diese Ära fällt die Errichtung eines Galeriebaus durch Matteo Alberti, die Modernisierung der Verwaltung, des Gerichtswesens und eine neue Polizeiordnung. Aber auch religiöse Toleranz wurde ein Gebot. Und wieder wurde die Stadt erweitert, mit neuem Straßenpflaster versehen. Auch die Straßenbeleuchtung wurde verstärkt, die Thomas Coryate schon 100 Jahre früher so beschrieben hatte: „Mit dieser Lichterfülle übertraf Düsseldorf sogar das stolze Paris und die großen holländischen Städte.“

Nun sollte auch das baufällige Schloss wieder modernisiert werden. Domenico Martinelli plante 1699 den Umbau. Er strebte eine Vierflügelanlage an. Doch die enormen Kosten vereitelten die Ausführung. So reichte es nur für eine aufwändige Modernisierung der Innenräume sowie für den Aufbau einer gewaltigen Kunstsammlung, die gegen Ende von Jan Wellems Regentschaft auf 620 Gemälde angewachsen war.

Die aufwendige Hofhaltung, die Bauten in Düsseldorf und Bensberg, wo ein Jagdschloss entstanden war, kostspielige Reisen und die Kunstsammlungen des Fürsten erforderten Beträge, die mit der Zeit nicht mehr aufzubringen waren. „Die Finanzen gerieten in immer größere Unordnung“, so Maureen Caroll-Spillecke.
Nachfolger Jan Wellems wurde sein jüngerer Bruder Carl Philipp, der ein hoch verschuldetes Herzogtum geerbt hatte. Er verlegte die Residenz und das Kurfürstentum 1720 nach Mannheim. Diese Verlagerung entzog der Stadt Düsseldorf Wirtschaftskraft. Unter seinem Nachfolger Carl Theodor (1742 bis 1799), der wieder in Düsseldorf Residenz nahm, gab es erneut Umbaupläne für das Schloss, die Johann Caspar Nosthofen entwickelt hatte. Ab 1755 wurden die Baumaßnahmen durchgeführt. Es entstand ein viertes Geschoss mit Satteldach. Doch 1777 erforderte das Erbe des bayerischen Kurfürstentums erneut die Verlegung der Residenz nach München. Wieder wirkte sich dies nachteilig auf das städtische Leben aus: Personal wurde entlassen, Handwerker verließen die Stadt, Grundstückspreise sanken, die Stadt verfiel. Die städtischen Investitionen hatten sich nicht rentiert.

Dennoch passierte unter der fernen Regentschaft von Carl Theodor in seinem niederrheinischen Herrschaftsbereich einiges. Schloss Jägerhof wurde erbaut, Schloss Benrath erfuhr eine rokokoeske Umgestaltung durch Nicolas de Pigage, eine erste öffentliche Bibliothek entstand im Galeriebau des Schlosses, der Hofgarten wurde zur öffentlichen Promenade, die Stadt erweiterte sich in Richtung Süden: Die Carlstadt entstand. Auch die kurfürstliche Galerie wurde gegen Ende des Jahrhunderts öffentlich zugänglich gemacht.

1794 beschossen die revolutionären Franzosen das Schloss, nachdem sie seit 1793 die linksrheinischen Gebiete erobert hatten. Ein Brand beschädigte es schwer. „Durch das französische Bombardement wurde das Schloss und ein großer Teil der ansehnlichen Gebäude in einen Schutthaufen verwandelt“, so A.W. Schreiber in einem Handbuch für Reisende im Jahr 1818. Bis 1820 blieb es eine Ruine, der nördliche Flügel war völlig eingestürzt. Dies ist das Ende der Geschichte des Schlosses als einer Residenz.

Denn 1805 hatte Maximilian zugunsten einer Verleihung der Königswürde für Bayern auf das Herzogtum Berg verzichtet (nicht ohne vorher noch die Kunstsammlung nach München verbringen zu lassen). Es fiel an Napoleon. Dieser übergab es 1806 seinem Schwager Joachim Murat, der es nach zwei Jahren gegen das Königreich Neapel eintauschte. Napoleons dreijähriger Neffe erhielt das Großherzogtum, das von einem Kommissar, von Napoleon kontrolliert, verwaltet wurde. Faktisch waren Land und Stadt damit nun ein Teil Frankreichs. Das änderte sich 1815, als die Preußen das Rheinland eroberten.

Auch Napoleon hatte Pläne für das Schlossgebäude. Es sollte weiter als Universität und Akademie genutzt werden, wenn es wieder aufgebaut sein würde. Doch aufgrund der politischen Unruhen gingen die Arbeiten am Schloss nur zögerlich voran. Der inzwischen frei stehende Schlossturm war reichlich baufällig geworden. 1815 besetzten die Preußen das Rheinland. Erst 30 Jahre später, 1845, wurde ein Wiederaufbau des nördlichen Flügels nach Plänen Rudolf Wiegemanns realisiert. Das Bauwerk sollte nun die Provinzialstände aufnehmen. Auch der Schlossturm wurde nun gründlich renoviert und verändert. König Friedrich Wilhelm IV von Preußen hatte die Idee, ein fünftes Stockwerk als begehbare Plattform aufzusetzen. Die Pläne dafür lieferte sein Hofarchitekt Friedrich August Stüler.

Doch es ruhte kein Segen auf dem Bauwerk. In der Nacht vom 20. zum 21. März 1872 zerstörte erneut ein Brand das Gebäude bis auf die Umfassungsmauern. Das einstige Symbol der Residenzstadt wurde endgültig vernichtet. Es blieb nur der Turm, der allerdings noch 1950 eine Umgestaltung im Dachbereich erfahren hat. Er ist der einzige Zeuge der landesherrlichen Burg wie auch des Residenzschlosses – dessen einstigen Grundriss man jedoch noch in der Straßenpflasterung nachvollziehen kann. Für Düsseldorf ist er heute ein Wahrzeichen, in jeder Rheinuferansicht prominent zu sehen.

 Brigitte Lohkamp

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